1.7-1
Kapitel 1.7
Allgemeine Vorschriften für radioaktive Stoffe
1.7.1Anwendungsbereich
Bem. 1. Bei nuklearen oder radiologischen Notfällen bei der Beförderung radioaktiver Stoffe sind die von
den entsprechenden nationalen und/oder internationalen Organisationen festgelegten Vorschrif-
ten zu beachten, um Personen, Eigentum und die Umwelt zu schützen. Dies schliesst Vorkeh-
rungen für die Vorbereitung und Reaktion ein, die in Übereinstimmung mit den nationalen und/o-
der internationalen Anforderungen und in kohärenter und koordinierter Weise mit den nationalen
und/oder internationalen Notfallvorkehrungen getroffen werden.
2. Die Vorkehrungen für die Vorbereitung und Reaktion müssen auf einem abgestuften Ansatz ba-
sieren und die festgestellten Gefahren und ihre möglichen Folgen, einschliesslich der Bildung
anderer gefährlicher Stoffe, die sich aus der Reaktion zwischen dem Inhalt einer Sendung und
der Umgebung bei einem nuklearen oder radiologischen Notfall ergeben können, berücksichti-
gen. Leitlinien für das Treffen solcher Vorkehrungen sind in «Preparedness and Response for a
Nuclear or Radiological Emergency» (Vorbereitung und Reaktion auf einen nuklearen oder radi-
ologischen Notfall), IAEA Safety Standards Series No. GSR Part 7, IAEO, Wien (2015); «Criteria
for Use in Preparedness and Response for a Nuclear or Radiological Emergency» (Kriterien für
die Verwendung bei der Vorbereitung und Reaktion auf einen nuklearen oder radiologischen Not-
fall),IAEA SafetyStandardsSeriesNo.GSG-2, IAEO,Wien (2011);«ArrangementsforPrepared-
ness for a Nuclear or Radiological Emergency» (Vorkehrungen für die Vorbereitung auf einen
nuklearen oder radiologischen Notfall), IAEA Safety Standards Series No. GS-G-2.1, IAEO, Wien
(2007), und «Arrangements for the Termination of a Nuclear or Radiological Emergency» (Vor-
kehrungen für die Beendigung eines nuklearen oder radiologischen Notfalls), IAEA Safety Stan-
dards Series No. GSG-11, IAEO, Wien (2018) enthalten.
1.7.1.1
Das ADR setzt Sicherheitsstandards fest, die eine ausreichende Überwachung der Strahlungsgefahr, der
Kritikalitätsgefahr und der thermischen Gefahr für Personen, Eigentum und Umwelt ermöglichen, soweit
diese mit der Beförderung radioaktiver Stoffe in Zusammenhang stehen. Das ADR basiert auf der Ausgabe
2018 der IAEO-Regelungen für die sichere Beförderung radioaktiver Stoffe. Das erläuternde Material ist in
«Advisory Material for the IAEA Regulations for the Safe Transport of Radioactive Material (2018 edition)»,
Safety Standards Series No. SSG-26, (Rev.1), IAEO, Wien (2019) enthalten.
1.7.1.2
Das Ziel des ADR besteht darin, Anforderungen aufzustellen, die für die Gewährleistung der Sicherheit und
den Schutz von Personen, Eigentum und der Umwelt vor den schädlichen Einflüssen ionisierender Strahlung
während der Beförderung radioaktiver Stoffe zu erfüllen sind. Dieser Schutz wird erreicht durch:
a) Umschliessung des radioaktiven Inhalts;
b) Kontrolle der äusseren Dosisleistung;
c) Verhinderung der Kritikalität und
d) Verhinderung von Schäden durch Hitze.
Diese Anforderungen werden erstens durch die Anwendung eines abgestuften Ansatzes zur Begrenzung der
Inhalte für Versandstücke und Fahrzeuge und zur Aufstellung von Standards, die für Versandstückbauarten in
Abhängigkeit von der Gefahr des radioaktiven Inhalts angewendet werden, erreicht. Zweitens werden sie
durch das Aufstellen von Bedingungen für die Auslegung und den Betrieb der Versandstücke und an die
Instandhaltung der Verpackungen einschliesslich der Berücksichtigung der Art des radioaktiven Inhalts er-
reicht. Drittens werden sie durch die Forderung administrativer Kontrollen einschliesslich, soweit erforderlich,
der Genehmigung/Zulassung durch die zuständigen Behörden erreicht. Schliesslich wird ein weiterer Schutz
durch Vorkehrungen für die Planung und Vorbereitung von Notfallmassnahmen zum Schutz von Personen,
Eigentum und Umwelt gewährleistet.
1.7.1.3Das ADR gilt für die Beförderung radioaktiver Stoffe auf der Strasse einschliesslich der Beförderung, die zum
Gebrauch der radioaktiven Stoffe gehört. Die Beförderung schliesst alle Tätigkeiten und Massnahmen ein,
die mit der Ortsveränderung radioaktiver Stoffe in Zusammenhang stehen und von dieser umfasst werden;
das schliesst sowohl die Auslegung, Herstellung, Wartung und Instandsetzung der Verpackung als auch die
Vorbereitung, den Versand, das Verladen, die Beförderung einschliesslich beförderungsbedingter Zwischen-
aufenthalt, das Entladen undden Eingang am endgültigen Bestimmungsort von Ladungen radioaktiver Stoffe
und Versandstücken ein. Ein abgestufter Ansatz wird für die Leistungsvorgaben des ADR angewendet, die
durch drei Schweregrade charakterisiert sind:
a) Routine-Beförderungsbedingungen (zwischenfallfrei);
b) normale Beförderungsbedingungen (kleinere Zwischenfälle);
c) Unfall-Beförderungsbedingungen.
1.7-2
1.7.1.4Die Vorschriften des ADR gelten nicht für:
a) radioaktive Stoffe, die integraler Bestandteil der Beförderungsmittel sind;
b) radioaktive Stoffe, die innerhalb von Anlagen befördert werden, in denen geeignete Sicherheitsvorschrif-
ten in Kraft sind und wo die Beförderung nicht auf öffentlichen Strassen oder Schienenwegen erfolgt;
c) radioaktive Stoffe, die in Personen oder lebende Tiere für diagnostische oder therapeutische Zwecke
implantiert oder inkorporiert wurden;
d) radioaktive Stoffe, die sich im Organismus oder auf dem Körper einer Person befinden, die nach einer
zufälligen oder unfreiwilligen Aufnahme radioaktiver Stoffe oder nach einer Kontamination zur medizini-
schen Behandlung befördert wird;
e) radioaktive Stoffe in Konsumgütern, die eine vorschriftsmässige Genehmigung/Zulassung erhalten ha-
ben, nach ihrem Verkauf an den Endverbraucher;
f) natürliche Stoffe und Erze, die in der Natur vorkommende Radionuklide enthalten (und die bearbeitet
worden sein können), vorausgesetzt, die Aktivitätskonzentration dieser Stoffe überschreitet nicht das
Zehnfache der in der Tabelle in Absatz 2.2.7.2.2.1 angegebenen oder gemäss den Absätzen 2.2.7.2.2.2
a) und 2.2.7.2.2.3 bis 2.2.7.2.2.6 berechneten Werte. Bei natürlichen Stoffen und Erzen, die in der Natur
vorkommende Radionuklide enthalten, die sich nicht im säkularen Gleichgewicht befinden, muss die Be-
rechnung der Aktivitätskonzentration gemäss Absatz 2.2.7.2.2.4 erfolgen;
g) nicht radioaktive feste Gegenstände,beidenen dieaufder Oberfläche vorhandenenMengenradioaktiver
Stoffe an keiner Stelle den in der Begriffsbestimmung für Kontamination in Absatz 2.2.7.1.2 festgelegten
Grenzwert überschreiten.
1.7.1.5
Besondere Vorschriften für die Beförderung freigestellter Versandstücke
1.7.1.5.1
Freigestellte Versandstücke, die gemäss Absatz 2.2.7.2.4.1 radioaktive Stoffe in begrenzten Mengen, Instru-
mente, Fabrikate oder leere Verpackungen enthalten können,unterliegen nurden folgenden Vorschriften der
Teile 5 bis 7:
a) den anwendbaren Vorschriften des Unterabschnitts 5.1.2.1, des Unterabschnitts 5.1.3.2, des Absatzes
5.1.5.2.2, des Absatzes 5.1.5.2.3, der Unterabschnitte 5.1.5.4 und 5.2.1.10, der Absätze 5.4.1.2.5.1 f) (i)
und (ii), 5.4.1.2.5.1 i), und des Abschnitts 7.5.11 Sondervorschrift CV 33 (3.1), (4.3), (5.1) bis (5.4) und (6)
und
b) den in Abschnitt 6.4.4 aufgeführten Vorschriften für freigestellte Versandstücke,
es sei denn, die radioaktiven Stoffe besitzen andere Gefahreneigenschaften und müssen gemäss Sonder-
vorschrift 290 oder 369 des Kapitels 3.3 einer anderen Klasse als der Klasse 7 zugeordnet werden, wobei die
in den Absätzen a) und b) aufgeführten Vorschriften nur sofern zutreffend und zusätzlich zu den für die
Hauptklasse geltenden Vorschriften gelten.
1.7.1.5.2
Freigestellte Versandstücke unterliegen den entsprechenden Vorschriften aller übrigen Teile des ADR.
1.7.2
Strahlenschutzprogramm
1.7.2.1
Die Beförderung radioaktiver Stoffe ist einem Strahlenschutzprogramm zu unterziehen, das aus einer syste-
matischen Zusammenstellung mit dem Ziel besteht, eine angemessene Berücksichtigung von Strahlen-
schutzmassnahmen sicherzustellen.
1.7.2.2
Die Personendosen müssen unter den relevanten Dosisgrenzwerten liegen. Schutz und Sicherheit müssen
so optimiert sein, dass die Höhe der Individualdosen, die Anzahl der exponierten Personen sowie die Wahr-
scheinlichkeit der einwirkenden Exposition so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar gehalten werden, wo-
bei wirtschaftliche und soziale Faktoren zu berücksichtigen sind, mit der Einschränkung, dass die Dosen für
Einzelpersonen Dosisbeschränkungen unterliegen. Ein strukturiertes und systematisches Herangehen ist zu
wählen, wobei die Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen der Beförderung und anderen Aktivitäten
einzuschliessen ist.
1.7.2.3
Art und Umfang der im Programm zu ergreifenden Massnahmen ist abhängig von der Höheund Wahrschein-
lichkeit der Strahlenexposition. Das Programm muss die Vorschriften der Unterabschnitte 1.7.2.2, 1.7.2.4
und 1.7.2.5 sowie des Abschnitts 7.5.11 Sondervorschrift CV 33 (1.1) einschliessen. Programmdokumente
müssen auf Anfrage der entsprechenden zuständigen Behörde für eine Begutachtung verfügbar sein.
1.7.2.4
Für berufsbedingte, von Beförderungsaktivitäten herrührende Expositionen, bei denen eingeschätzt wird,
dass die Effektivdosis entweder
a) wahrscheinlich zwischen 1 und 6 mSv pro Jahr liegt, ist ein Dosiseinschätzungsprogramm durch Arbeits-
platzüberwachung oder Individualüberwachung durchzuführen, oder
b) wahrscheinlich 6 mSv pro Jahr überschreitet, ist eine Individualüberwachung durchzuführen.
Wenn eine Arbeitsplatz- oder Individualüberwachung durchgeführt wird, ist eine angemessene Buchführung
durchzuführen.
1.7-3
Bem. Für berufsbedingte, von Beförderungsaktivitäten herrührende Expositionen, bei denen eingeschätzt
wird, dass die Effektivdosis höchstwahrscheinlich 1 mSv pro Jahr nicht überschreitet, sind keine be-
sonderen Arbeitsverhaltensmuster, genauen Überwachungen, Dosiseinschätzungsprogramme oder
Individualbuchführungen erforderlich.
1.7.2.5
Beschäftigte (siehe Abschnitt 7.5.11 Sondervorschrift CV 33 Bem. 3) müssen bezüglich des Strahlenschut-
zes, einschliesslich der zu beachtenden Vorsichtsmassnahmen, angemessen unterwiesen sein, um ihre be-
rufsbedingte Exposition und die Exposition anderer Personen, die durch ihre Tätigkeiten betroffen sein kön-
nen, zu beschränken.
1.7.3
Managementsystem
Für alle Tätigkeiten in dem durch Unterabschnitt 1.7.1.3 festgelegten Anwendungsbereich des ADR muss
ein Managementsystem, das auf internationalen, nationalen oder anderen Standards basiert und durch die
zuständige Behörde akzeptiert ist, erstellt und umgesetzt werden, um die Einhaltung der zutreffenden Vor-
schriften des ADR zu gewährleisten. Die Bescheinigung, dass die Spezifikation der Bauart in vollem Umfang
umgesetzt worden ist, muss der zuständigen Behörde zur Verfügung stehen. Der Hersteller, Absender oder
Verwender muss auf Anfrage
a) Einrichtungen für die Inspektion während der Herstellung und Verwendung zur Verfügung stellen und
b) der zuständigen Behörde die Einhaltung der Vorschriften des ADR nachweisen.
Soweit eine Genehmigung/Zulassung der zuständigen Behörde erforderlich ist, muss diese Genehmi-
gung/Zulassung die Angemessenheit des Managementsystems berücksichtigen und davon abhängig sein.
1.7.4
Sondervereinbarung
1.7.4.1
Unter Sondervereinbarung versteht man solche Vorschriften, die von der zuständigen Behörde genehmigt
sind und nach denen Sendungen, die nicht alle für radioaktive Stoffe geltenden Vorschriften des ADR erfül-
len, befördert werden dürfen.
Bem. Eine Sondervereinbarung gilt nicht als zeitweilige Abweichung im Sinne des Abschnitts 1.5.1.
1.7.4.2
Sendungen, für die eine Übereinstimmung mit den Vorschriften für radioaktive Stoffe undurchführbar ist,
dürfen nur auf Grund einer Sondervereinbarung befördert werden. Vorausgesetzt, die zuständige Behörde ist
überzeugt, dass die Übereinstimmung mit den Vorschriftenfür radioaktive Stoffe des ADR undurchführbar ist
und dass die erforderlichen, durch das ADR festgesetzten Sicherheitsstandards durch Mittel nachgewie-sen
wurden, die eine Alternative zu den übrigen Bestimmungen des ADR darstellen, kann die zuständige
Behörde Sondervereinbarungen für eine einzelne Sendung oder für eine geplante Serie von mehreren Sen-
dungen genehmigen. Die insgesamt erreichte Sicherheit bei der Beförderung muss der bei Erfüllung aller
anwendbaren Vorschriften des ADR erreichbaren Sicherheit mindestens gleichwertig sein. Für internationale
Sendungen dieser Art ist eine multilaterale Genehmigung erforderlich.
1.7.5
Radioaktive Stoffe mit weiteren gefährlichen Eigenschaften
Bei der Dokumentation, der Verpackung, der Bezettelung, der Kennzeichnung, dem Anbringen von Gross-
zetteln (Placards), der Zwischenlagerung, der Trennung und der Beförderung sind zusätzlich zu den Eigen-
schaften der Radioaktivität und der Spaltbarkeit alle anderen Nebengefahren des Inhalts des Versandstücks,
wie Explosivität, Entzündbarkeit, Pyrophorität, chemische Giftigkeit und Ätzwirkung, zu berücksichtigen, um
allen anwendbaren Vorschriften für gefährliche Güter des ADR zu entsprechen.
1.7.6
Nichteinhaltung
1.7.6.1
Bei Nichteinhaltung irgendeines Grenzwertes des ADR für die Dosisleistung oder die Kontamination
a) müssen der Absender, der Beförderer, der Empfänger und jede gegebenenfalls an der Beförderung be-
teiligte Stelle, der oder die davon betroffen sein könnte, über die Nichteinhaltung informiert werden
(i) durch den Beförderer, wenn die Nichteinhaltung während der Beförderung festgestellt wird, oder
(ii) durch den Empfänger, wenn die Nichteinhaltung beim Empfang festgestellt wird;
b) muss, je nach Fall, der Absender, der Beförderer oder der Empfänger
(i) sofortige Massnahmen ergreifen, um die Folgen der Nichteinhaltung abzuschwächen;
(ii) die Nichteinhaltung und ihre Ursachen, Umstände und Folgen untersuchen;
(iii) geeignete Massnahmen ergreifen, um die Ursachen und Umstände, die zu der Nichteinhaltung ge-
führt haben, abzustellen und ein erneutes Auftreten ähnlicher Ursachen und Umstände, die zu der
Nichteinhaltung geführt haben, zu verhindern, und
(iv) die zuständige(n) Behörde(n) über die Gründe der Nichteinhaltung und über die eingeleiteten oder
einzuleitenden Massnahmen zur Abhilfe oder Vorbeugung informieren;
c) muss die Mitteilung über die Nichteinhaltung an den Absender und an die zuständige(n) Behörde(n) so-
bald wie möglich und, wenn sich eine Notfallexpositionssituation entwickelt hat oder entwickelt, sofort
erfolgen.